Von Geflüchteten wird in der veröffentlichen Meinung erwartet, dass sie sich gut und schnell integrieren, oder dass sie gehen. Wir möchten in dieser neuen Rubrik „Geschichten die das Leben schrieb“ Interessierten an konkreten Beispielen erzählen, welche Hindernisse, aber auch welche Erfolge es im Leben Geflüchteter gibt, die mitten unter uns in LU leben.
Ein Vormittag in der Ausländerbehörde der Stadt Ludwigshafen
Die Familie, von der ich schon berichtet hatte, hat einen Antrag auf Aufenthalt im Januar 2025 gestellt. Sie hat immer noch keine kleine Karte mit Aufenthaltstitel bekommen, sondern alle drei Monate eine Fiktionsbescheinigung. Das ist ein großer grüner Ausweis wie es für Asylantragsteller und Geduldete ausgestellt wird. Darin ist notiert, dass ein Antrag auf Aufenthalt gestellt wurde.
Die Fiktionsbescheinigung ist wieder abgelaufen. Ohne gültigen Ausweis ist Arbeit verboten. Was tun? Mehrere Mails an die Behörde mit Bitte um Termin zur Verlängerung waren ohne Antwort.
2 Tage vor Ende der Fiktionsbescheinigung: Ein Mail direkt an den Leiter der Behörde. Schnelle Antwort seiner Vertreterin: man solle doch bitte die allgemeine Adresse der Behörde nutzen, die Frau könne an diesem Tag oder am folgenden Tag am Notfallschalter eine Verlängerung bekommen. Heute: die Security sagt, es gäbe keinen Notfallschalter, wäre überlastet. Man solle morgen pünktlich um 8 Uhr kommen.
Am nächsten Tag (dem letzten Tag der Gültigkeit) um 7.45 Uhr sind schon 16 Personen in der Schlange „ohne Termin“. In der Schlange „mit Termin“ sind ebenfalls etwa 10 Personen. Draußen, vor der Eingangstür, es ist kalt. Zum Glück regnet es nicht.
Stehen bis 9.50 Uhr in der Schlange, die nicht vorangeht. Ein Security-Mann geht durch die Schlange und versucht verschieden Menschen wegzuschicken. Z.B. mit dem Argument, der Ausweis wäre ja noch eine Woche gültig, der betreffende Mann würde automatisch einen Termin zugeschickt bekommen. Das kann niemand der Anwesenden glauben. Alle berichten darüber, dass man auf Mails keine Antwort erhalten würde. Manche Menschen gehen tatsächlich.
Ein Mann lässt sich nicht vertreiben, gelangt in das Gebäude, erklärt, warum er etwas Wichtiges braucht. Er bekommt von der Security die Androhung von Hausverbot. Er weigert sich, zu gehen. Die Security bestellt die Polizei, nicht einen Mitarbeiter der Behörde, der entscheiden könnte (!). Die Polizei kommt. Der Mann erklärt wieder, warum es für ihn wichtig ist, heute noch vorsprechen zu können. Wie es weitergeht, ist uns nicht bekannt.
Endlich, um 10.05 Uhr dürfen wir zum Schalter im 1. Stock. Hier ist alles leer, zwei Mitarbeiter stehen am Schalten und warten, ob jemand kommt. Es kommen auch nach und nach einige Personen aus den Warteschlangen unten. Nach etwa 15 Minuten bekommt die Frau den grünen Ausweis zurück mit einer Verlängerung für 3 Monate. Einen neuen Termin kann man jetzt nicht machen, man soll eine Mail schreiben…
Eine Bescheinigung für den Arbeitgeber, dass man so lange in der Behörde war, gibt es nicht.
Chancen-Aufenthalt §104, gar nicht so einfach
Es gibt glücklicherweise, von der vorigen Regierung eingerichtet, die Möglichkeit des Chancenaufenthaltes. Menschen, die schon länger mit Duldung in Deutschland leben, bekommen für 18 Monate einen Aufenthalt zugesprochen, um sich Arbeit zu suchen. Die Vorschriften dafür sind kompliziert, aber immerhin.
Eine Frau mit Ehemann und drei nicht volljährigen Kindern arbeitet seit etwa 5 Jahren als Küchenhilfe. Seit vielen Jahren war die ganze Familie geduldet außer zwei größeren Kindern, die einen Aufenthalt bekommen hatten als „gut integrierte Jugendliche“. Die Frau hat einen Chancenaufenthalt vom Ausländeramt zugesprochen bekommen für 18 Monate. Ende November 2024 waren diese 18 Monate vorbei, sie hat mit vielen Unterlagen einen richtigen Aufenthalt nach §25b für sich und die übrigen Kinder beantragt.
An dem Termin beim Ausländeramt hat sie eine Fiktionsbescheinigung bekommen mit dem Aufdruck „Erwerbstätigkeit erlaubt. Fiktion erlischt mit bestandskräftiger Entscheidung über den gestellten Antrag auf Aufenthaltserlaubnis“. Ein großes grünes Papier, das bescheinigt, dass sie einen Antrag gestellt hat.
Jetzt, etwa 5 Monaten nach Antragstellung, ist immer noch keine Entscheidung über ihren Aufenthalt mitgeteilt worden. Sie erhielt eine weitere Fiktionsbescheinigung über 4 Monate!
Die Frau ist verständlicherweise sehr unsicher, wie es weitergeht.
Arbeit soll sich lohnen…
Ihr steht eigentlich ein Aufenthaltstitel zu. Dass die Entscheidung so lange dauert, wirkt demotivierend.
Schon wieder haben fünf Kinder erst fünf Monate nach Ankunft einen Schulplatz erhalten.
Mutter und schwer verletzte Tochter aus Somalia kamen vor etwa drei Jahren und haben einen Aufenthalt bekommen. Damit ist das Recht verbunden, die engste Familie, d.h. die anderen Kinder der Mutter hierher zu holen. Das ist nach einigen Schwierigkeiten Ende Dezember 24 gelungen.
Die Familie bekam Hals über Kopf eine Wohnung im Obdachlosengebiet zugewiesen, ohne Möbel, ohne Heizungsmöglichkeit. Freunde und viele Somalierinnen haben geholfen.
Das Kleinste, 6-jährige wurde gleich in der zuständigen Grundschule aufgenommen. Die anderen Kinder zwischen 11 und 15 Jahren, wurden bei der ZAS (zentralen Anlaufstelle für SchülerInnen mit geringen oder ohne Deutschkenntnisse) angemeldet. Es wurde entschieden, sie würden Bescheid bekommen, sie sollten noch warten. Nachfragen waren ohne Ergebnis. Erst als ein wichtiger Mitarbeiter der Stadtverwaltung nachgehakt hatte, kam der Bescheid:
Mitte Mai konnten sie endlich in einer nahe gelegenen Realschule Plus anfangen.
Sie sind glücklich.
Ist es uns nicht wichtig, dass die Kinder gut und schnell integriert werden?
Willkürliche Namensänderung durch das Ausländeramt
Frau M. kam als Kind mit ihrer Mutter und den Geschwistern nach Deutschland. Sie lebt seit etwa 40 Jahren hier, hat selbst wieder Kinder bekommen. Die ganze Zeit lebt sie mit einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung). Seit Jahren versucht das Ausländeramt sie nach Serbien abzuschieben.
Dort war sie noch nie. Möglicherweise hatten die Eltern, die schon lange tot sind, eine jugoslawische Staatsangehörigkeit.
Jahrelang wurde die Duldung vom Ausländeramt immer nur um einen Monat oder kürzer verlängert. Eine schwere psychische Belastung für sie…
Ende des Jahres erhielt sie vom Ausländeramt plötzlich einen Duldungsausweis mit einem anderen Nachnamen, dem Namen ihres mutmaßlichen Vaters.
Sie hat sich verständlicherweise geweigert, diesen neuen Ausweis anzunehmen. Seitdem erhält sie kein Geld mehr vom Sozialamt mit der Begründung, dass sie keinen Ausweis vorgelegt hätte.
Auch die Krankenkassenbeiträge hat das Sozialamt nicht mehr bezahlt, so dass sie nicht krankenversichert ist.
Ein Eilantrag, im Frühjahr dieses Jahres beim Verwaltungsgericht gestellt, wurde bis jetzt noch nicht behandelt.

